Daniel ten Brinke, Präsident des BVAA e.V., zum FOCUS-Leitartikel "China - auf dem Weg zur Weltmacht"
Der Fokus stellte in seinem Leitartikel die Grundsatzfrage: Sind wir darauf vorbereitet, dass China die Weltherrschaft anzustreben droht. Eine Zusammenfassung des Artikels finden Sie im LinkedIn-Profil von Marc Brost - hier klicken. Er stellt dort auch die Frage, ob China eine „unterschätzte Über- oder gar Weltmacht“ ist. Hierzu möchte der BVAA einige Anmerkungen machen:
"Wenn man sich mit China beschäftigt, kann man China nicht „unterschätzen“. Aber ich finde diese Dar- bzw. Fragestellung offen gestanden nicht mehr zeitgemäß, da sich Deutschland in den kommenden Jahren andere Gedanken machen muss. Klassische Denkmuster wie „Wir gegen Die“ oder „Ost gegen West“ bzw. „Gut gegen Böse“ werden wir uns in den kommenden Jahrzehnten schlicht nicht mehr leisten können", so Daniel ten Brinke, Präsident des BVAA.
Warum? Einfach gesagt, weil unsere Meinung außer uns ohnehin niemanden mehr interessieren wird, wenn wir so weitermachen. Wir Deutsche haben uns die letzten 80 Jahre auf den großen Bruder in Amerika verlassen – nicht nur militärisch, sondern auch bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen (bis in die letzte Konsequenz), in dem Wissen, dass wir auf dieser Welle mitsurfen können. Letztendlich aber auch, weil es irgendwann keine Alternative mehr gab. Ich will gar nicht politisch argumentieren. Ich will mich nur mal auf einen neutralen Schiedsrichterstuhl (wie beim Tennis setzen) und dann fällt mir Folgendes auf:
Wir waren im April mit einer eigenen Handelsdelegation in China – alles gestandene Mittelständler, die aber stellenweise zum ersten Mal in China waren (einen Bericht über die Reise finden Sie hier). Was sie feststellen mussten: Die Nachrichtenlage in Deutschland zur Situation in China ist mehr als dünn. Vorurteile wie „Wenn die auch so hohe Arbeitsschutzstandards hätten wie wir, wären die niemals so billig“, sind nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die Standards (und deren Nachverfolgung) sind in vielen Industriefeldern viel strenger. Der FOCUS hat recht, wenn er die Entwicklung und gegenseitige Interessenlage zwischen China und dem Westen beschreibt (Austausch Knowhow gegen billige Arbeitskräfte & Marktöffnung). Aber das ist die Vergangenheit: „Die sind uns hier im Bereich Automation mindestens 10 Jahre voraus“, so einer unserer Teilnehmer (zugegeben mit offenem Mund). Früher ging man wg. billiger Arbeitskräfte nach China, heute weil man dort weiter ist als hier. Und das holen wir nie wieder auf.
Ist es Chinas Schuld, dass wir dort Technik geliefert und Leute ausgebildet haben. China hat seine eigenen Staatsbürger, die im Ausland ausgebildet wurden und hier gearbeitet haben, für ein halbes Jahr zurückgeholt und - nach zwei Wochen Urlaub - quer durchs Land geschickt, um die eigenen Firmen fit im Bezug auf weltweite Standards und Trends zu machen. Jeder deutsche Student, der ins Ausland geht, ist weg. Auch wenn er zurückkommt, gibt es keinen allgemeinen Zugriff auf sein Wissen.
Ist es Chinas Schuld, dass sich Europa einfach nicht gekümmert hat, während China sich in halb Afrika deshalb Ressourcen sichern konnte, unzählige Häfen und andere Infrastrukturprojekte weltweit gekauft bzw. gebaut hat.
Wir haben uns dazu entschieden, in Deutschland eher Arbeitslosigkeit zu subventionieren, statt Innovation. Das kann man so entscheiden, wenn einem ein derart großer Sozialapparat wichtig ist. Aber man muss wissen, dass andere diese Entscheidung eben anders treffen. Das darf man dann nicht bewerten.
Es ist auch nicht Chinas Schuld, dass wir die EU seit vielen, vielen Jahre als eine Art politische „Rudis-Reste-Rampe“ genutzt haben, auf der sich ausgediente oder schlecht arbeitende Politiker aller Richtungen austoben durften. In Brüssel müssten die klügsten Köpfe sitzen. Das wollen die einzelnen EU-Staatsoberhäupter aber nicht. Warum wohl?
Ist es Chinas Schuld, dass wir unsere eigene Automobilindustrie komplett an den Rand der Zerstörung bringen, indem wir Entscheidungen treffen (wie etwa die Diesel-Abschaffung – der sauberste Verbrenner-Motor der Welt und seit 30 Jahren eine Weltleittechnologie), die unsere Wirtschaft schwächen.
Für mich war die wichtigste politische Entwicklung des letzten Jahres nicht etwas, was mit Europa, USA oder der Ukraine zu tun hat. Es war die Erweiterung der BRICS-Staaten. Man muss sich das vor Augen führen: China, Russland, Indien, Brasilien und Südafrika haben jetzt noch u.a. Saudi-Arabien und die Emirate (also das Golf-Geld) in ihrem Beritt. Das sind jetzt mehr als 3,5 Mrd. Menschen. Die G7 nur 750 Mio. Weshalb sollte also die weitgrößere Mehrheit der Menschen dieses Planenten, den US-Dollar weiterhin als Leitwährung akzeptieren? Und jetzt wird es spannend. Im Jahr 2022 haben die BRICS-Staaten die G7 zum ersten Mal im Bruttoinlandsprodukt überholt. Die Entwicklung ist so klar wie erschreckend und – vor allen Dingen – nicht mehr aufzuhalten! Einzelheiten dazu finden Sie in unserem Blog-Artikel hier!
Wir müssen also erst mal verstehen: Wir sind definitiv nicht die Mehrheit auf diesem Planeten! Wir haben auch keinen Ressourcenvorteil und der Technologie-Vorsprung, den wir in einigen Teilen noch haben, wird bald verloren sein. Allein die Emirate haben über 140 Mrd. US-Dollar nur für die Implementierung neuer Blockchain-Technologien in den Emiraten zur Verfügung gestellt. Deutschland hat 20 Mio. Euro im Bundeshaushalt für die Erforschung von KI (für ganz Deutschland). In Dubai werden im nächsten Jahr (kein Witz!) Flug-Taxis in Betrieb genommen. Wir sprechen hier über Lastenfahrräder. Mag sich überspitzt anhören, ist aber (leider) wahr.
Also, Deutschland muss Entscheidungen treffen. Wo stehen wir eigentlich? Welche Allianzen werden die Entscheidungen auf diesem Planeten in den kommenden 20 Jahren treffen? Ob dazu die „alten Denkmuster“ (inklusiver der Vorwürfe in alle Richtungen) noch sinnvoll sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber wir können der Welt (und China) nicht zum Vorwurf machen, dass die sich mit allen Konsequenzen weiterentwickeln, nur weil wir dies nicht können oder wollen.
Unsere nächste Unternehmerreise nach China findet vom 26. Mai bis 4. Juni 2025 statt. Gesucht werden maßgeblich Firmen aus den Bereichen Automation, Automotive, Green Energy & neue Werkstoffe. Weitere Informationen finden Sie hier.
Weitere Infos erhalten Sie hier!
Falls Sie weitere Informationen zu China wünschen, dann kontaktieren Sie uns gern unter china@bv-aa.de. Unsere Experten werden Ihnen gern weiterhelfen.
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